Fiskalpakt kann zum Sprengsatz für den Euro werden

Veröffentlicht am 24.04.2012 in Wirtschaft

Wiener Wirtschaftsforscher Dr. Stephan Schulmeister spricht auf Einladung der SPD zur schwelenden Eurokrise

Wirtschaftsforschung und Lehraufenthalte an der University of New York, University of New Hampshire, in Berlin und an der Wirtschaftsuniversität in Wien waren einige der beruflichen Stationen des prominenten Gastes der Bundeswahlkreis-Organisation Landshut-Kelheim, Dr. Mag. Stephan Schulmeister. Der 65jährige Wiener Ökonom folgte einer Einladung des Vorsitzenden der SPD-Bundeswahlkreisorganisation Harald Unfried nach Rottenburg. Im dortigen Bürgersaal sprach der Wissenschaftler zu den Ursachen der Eurokrise und skizzierte einen „New Deal für Europa“, der zu neuer Prosperität führen könne.

Eine geschichtliche Rückblende zu Europa umriss die Landshuter Kreisvorsitzende Ruth Müller in ihrer Begrüßung. Während die ältere Generation ein Europa mit Krieg und Frieden erlebt habe, verbinde ihre Generation mit Europa den Wandel eines geteilten Europas zu einem Europa der Freiheit und der gemeinsamen Währung.
„Seltsam fühlten sich die ersten Euros damals im Dezember 2001 an, die wir dem ersten Starterkit entnahmen. Ein bisschen Wehmut war dabei, wenn man an die Urlaube dachte, in denen man als Kind sein Urlaubsgeld in viele Schillinge in Österreich oder noch mehr tausend Lire in Italien umwechseln konnte“, blickte sie auf die Einführung des Euros zurück.

Der Vorsitzende Harald Unfried begründete im Rahmen seiner thematischen Einführung seine Einladung des Wiener Ökonomen damit, dass dieser zu den Ausnahmeökonomen zähle, die nicht erst seit Ausbruch der globalen Finanzkrise im Herbst 2008 Konzepte zur Regulierung der Finanzmärkte vorgelegt hätten. Vielmehr habe sich Schulmeister schon lange vor der Krise mit detailliert ausgearbeiteten Vorschlägen für eine sog. Finanztransaktionssteuer großes Renommee erworben. Diese Forderung sei heute beinahe zum Allgemeingut geworden. Er stünde damit glaubwürdig für die dringend notwendige Erneuerung des wirtschaftspolitischen Denkens gerade in Deutschland, ohne die der Primat der Demokratie gegenüber den Finanzmärkten nicht zurückgewonnen werden könne.

In seinen Ausführungen begründete Stephan Schulmeister weshalb die immer noch akute Eurokrise letztlich auf die desaströse „finanzkapitalistische Spielordnung“ zurückzuführen sei, die in den letzten 20 bis 30 Jahren von den ökonomischen und politischen Eliten durchgesetzt worden sei. Denn die schrittweise Entfesselung der Finanzmärkte verlagerte das an sich gesunde unternehmerische Gewinnstreben weg von der Realwirtschaft hin zur spekulativen Finanzwirtschaft. Als der fiktive Charakter der Finanzforderungen mangels realwirtschaftlicher Deckung offenbar wurde und die Spekulationsblase platzte, musste der Staat mit Rettungs- und Konjunkturpaketen notgedrungen den wirtschaftlichen Zusammenbruch abwenden. Doch damit wurden die Ursachen der Krise noch lange nicht beseitigt. Denn die falsche Spielanordnung blieb trotz einiger erster Regulierungen im Kern unangetastet. Der unabwendbare Preis für die staatlichen Rettungspakete bestand im sprunghaften Anstieg der Staatsverschuldung. Der in den letzten Jahren zu beobachtende Anstieg der Staatsverschuldung sei nicht darauf zurückzuführen, dass die Menschen über ihre Verhältnisse gelebt hätten, sondern auf die globale Finanzkrise.

So hätten etwa Spanien und Irland im Vorfeld der Finanzkrise ihre Staatsverschuldung deutlich abgebaut. Da nun jedoch im Zuge der staatlichen Rettungsmaßnahmen die Verschuldung anstieg, begannen die Finanzmärkte plötzlich gegen die Staaten zu spekulieren, die sie gerade erst gerettet hätten. Und nahmen sich mit Griechenland zunächst das schwächste Glied der Eurozone vor. Seit nun jedoch den Griechen drastische Sparmaßnahmen verordnet wurden, sei dort die Lage beinahe aussichtslos geworden. Mit reiner Sparpolitik könne eine nachhaltige Gesundung von Wirtschaft und Staatsfinanzen nicht gelingen, so Schulmeister. Der von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy eingeschlagene Weg, mit Sparpaketen und Schuldenbremsen europaweit die Ausgaben zu kürzen, werde die Eurokrise daher noch vertiefen. „Der europäische Fiskalpakt ist eine der größten politischen Fehlleistungen seit Jahrzehnten“, meinte Schulmeister mit Blick auf die verordnete Spar- und Austeritätspolitik. Denn wenn in der EU alle Regierungen versuchten, ihre Defizite durch Senkung der Ausgaben zu reduzieren, werde dies Konsum und Wirtschaft schwer in Mitleidenschaft ziehen und eine europaweite Rezession auslösen.

Durch das gleichzeitige Sparen grüben sich die EU-Staaten gewissermaßen gegenseitig das Wasser ab. Infolge des wirtschaftlichen Einbruchs würden dann die Staatseinnahmen sinken, sodass die Defizitziele mit der Sparpolitik gar nicht erreicht werden könnten. Dies könne man heute schon an Beispielen Griechenland oder Spanien nachvollziehen. Ein wirtschaftspolitischer Kurswechsel sei daher dringend erforderlich, damit sich der Fiskalpakt nicht zum Sprengsatz für den Euro entwickle.

Notwendig sei ein „New Deal“ für Europa, so Schulmeister. Eine nachhaltige Lösung könne nur darin bestehen, dass die Staaten tatsächlich in die Lage versetzt würden, ihre Schulden zu bedienen. Dies setze aber zwingend ein stabiles und merkliches Wirtschaftswachstum voraus. Hierzu müssten die Staaten der Wirtschaft aber Impulse geben, statt sie mit Spardiktaten zu strangulieren. Mit einem europaweit koordinierten Vorgehen für mehr Investitionen etwa in Umwelt und Infrastruktur müsse die Wirtschaft gestärkt werden. Mit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer könnte die kurzfristige Spekulation massiv verteuert und gedämpft werden. Gleichzeitig wäre der fiskalische Ertrag für die Staaten erheblich. Bei einem Steuersatz von 0,05 % ergäbe sich für Europa ein Ertrag von ca. 290 Mrd Euro. Zur Stabilisierung der Finanzlage müssten die Staaten zudem den Einkommensstärksten und Besitzern grosser Finanzvermögen spürbare Konsolidierungsbeiträge abverlangen.

Und dies nicht nur aus Gerechtigkeitsgründen, sondern weil es gesamtwirtschaftlich geboten sei, mit diesen Geldern die Wirtschaft zu stimulieren. Schulmeister sprach sich zudem für die Einführung von sog. Euro-Bonds aus, die von der gesamten Staatengemeinschaft garantiert würden. Dem Spiel mit dem Hinauftreiben von Risikoprämien könne so ein Ende bereitet werden. Europa stehe jetzt am Scheideweg. Die Eurokrise könne wie jede andere hartnäckige Wirtschaftskrise nur durch eine massive, wenn auch vorübergehende Erhöhung der Staatsaktivitäten überwunden werden. Diesen Weg müsse die Politik gehen, wenn der Euro erhalten und stabilisiert werden solle. Andernfalls drohe der Euro zu scheitern. Deutschland wäre dann mit seiner exportfixierten Wirtschaft der Hauptleidtragende, so Schulmeister.

Das Schlusswort sprach MdL Johanna Werner-Muggendorfer, die Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Kelheim. Es sei beeindruckend gewesen, mit welch einfachen Worten es Dr. Schulmeister verstanden habe, finanzpolitische Zusammenhänge verständlich zu schildern. Die europäische Währung dürfe nicht wegen der starren Haltung der schwarz-gelben Regierung zusammenbrechen. Die Idee des gemeinsamen Europas in Frieden und Freiheit müsse auch zu einem Denken in der Politik führen, das unabhängig von gerade stattfindenden Wahlen eine gemeinsame Handlungslinie beinhalte, so Muggendorfer abschließend.


Foto: Dr. Stephan Schulmeister, Gerhard Wick (stv. Vorsitzender SPD Landshut); MdL Johanna Werner-Muggendorfer, Reinhard Schwikowski (stv. Kreisvorsitzender SPD Landkreis Kelheim); Ruth Müller (Kreisvorsitzende SPD Landkreis Landshut), Harald Unfried (Vorsitzender Bundeswahlkreis-Organisation Landshut-Kelheim)

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